Aderlaß und andere alte Sitten
Interessantes über
mittelalterliche Medizin auf der Ersten Sächsischen Landesausstellung vom
13. Juni bis zum 18. Oktober im Kloster St. Marienstern in der Oberlausitz
zu erfahren
Weil die Äbtissin Katharina Benada im Jahr 1697 wohl sehr krank war,
verabreichte ihr der Dresdner Hofapotheker nicht nur zwei, drei
Medikamente, nein, er stellte ihr eine ganze Reiseapotheke zusammen. Darin
enthalten waren nicht nur ein "magenstaerkendes Wäßerlein", "präparierte
Krebs Augen" und ein "Erbrech Pülverlein", sondern auch eine
"herzstaerkende Tinctur" und über 40 weitere Medikamente. Wie die
"schmerzstillende Essenz", der reichlich Opium beigegeben war, dürfte
manches Mittel seine Wirkung nicht verfehlt haben. Die meisten Medikamente
sollte die Äbtissin mit Bier oder Wein herunterschlucken. Zur Einnahme des
"Elixieres wieder die schwere Noth", gegen Epilepsie also, wurde sogar
Kirschwasser empfohlen.
Katharina Benada starb wenige Monate, nachdem sie die Reiseapotheke
erhalten hatte. Starb sie an den Nebenwirkungen des "Rothen Leber
Pulvers"? Hat sie sich nicht an die Empfehlungen des "Leib Medico"
gehalten, oder ist ihr der Alkohohl nicht bekommen? Die Gründe für das
Ableben von Katharina Benada sind nicht bekannt. Aber ihre Reiseapotheke
ist mit den Pillen, Fläschchen, Rezepten und sogar der Rechnung des
Apothekers fast unberührt erhalten geblieben. Wahrscheinlich haben sich
die Äbtissin und ihre Nachfolgerinnen doch lieber an die bewährten
Hausmittel der klösterlichen Heilkunde gehalten, die aus der Tradition der
antiken Medizin enstanden waren.
Kräuter aus dem klösterlichen Garten waren zu Katharina Benadas Zeiten
im Prinzip die einzigen verfügbaren Medikamente. Sie wurden in Würzwein
getrunken, zu Essenzen aufgekocht, zu Pulvern und Salben verarbeitet. Man
konnte schon damals Wunden behandeln und Knochenbrüche schienen. Vor
chirurgischen Eingriffen schreckte man allerdings zurück. Zwei Mittel, die
hingegen sehr oft angewendet wurden, weil sie gegen beinahe jede Krankheit
helfen sollten, waren der Aderlaß und das Schröpfen. Wer seinem Körper
Blut entziehen ließ, tat prophylaktisch Gutes für seine Gesundheit, so die
weit verbreitete Auffassung. Im Rahmen einer ausgedehnten
Reinigungsprozedur in der Badestube, die oft bis zu sechs Stunden dauerte,
wurde das "Blutsaugen" nebenbei miterledigt. Badebilder aus dem
beginnenden 16. Jahrhundert bezeugen die gängige Praxis eindrucksvoll.
Lendenbeschürzte Männer mit den Füßen in einer Wasserschüssel, auf der
Schwitzbank und beim Haareschneiden tragen an fast allen Körperteilen
Schröpfköpfe. Daß sie sich dabei wohlgefühlt haben, ist schwer zu glauben.
Wer wissen möchte, wie Schröpfköpfe aus dem späten Mittelalter
aussehen, und wer sich nicht vorstellen kann, daß die 300 Jahre alte
Reiseapotheke von Katharina Benada samt Inhalt tatsächlich erhalten
geblieben ist, der sollte einen Ausflug nach Panschwitz-Kuckau in die
Oberlausitz unternehmen. Dort ist die Erste Sächsische Landesausstellung
vom 13. Juni bis zum 18. Oktober zu Gast im Zisterzienserinnenkloster St.
Marienstern. Auf der Exposition warten noch viele andere spannende
Geschichten auf ihre Besucher. Geschichten aus einer Zeit, in der die
Sauna noch ohne Strom funktionierte.
Ute Meckbach