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Dresden, den 13.05.1998

Ein Beitrag von Ute Meckbach

Aderlaß und andere alte Sitten

Interessantes über mittelalterliche Medizin auf der Ersten Sächsischen Landesausstellung vom 13. Juni bis zum 18. Oktober im Kloster St. Marienstern in der Oberlausitz zu erfahren

Weil die Äbtissin Katharina Benada im Jahr 1697 wohl sehr krank war, verabreichte ihr der Dresdner Hofapotheker nicht nur zwei, drei Medikamente, nein, er stellte ihr eine ganze Reiseapotheke zusammen. Darin enthalten waren nicht nur ein "magenstaerkendes Wäßerlein", "präparierte Krebs Augen" und ein "Erbrech Pülverlein", sondern auch eine "herzstaerkende Tinctur" und über 40 weitere Medikamente. Wie die "schmerzstillende Essenz", der reichlich Opium beigegeben war, dürfte manches Mittel seine Wirkung nicht verfehlt haben. Die meisten Medikamente sollte die Äbtissin mit Bier oder Wein herunterschlucken. Zur Einnahme des "Elixieres wieder die schwere Noth", gegen Epilepsie also, wurde sogar Kirschwasser empfohlen.

Katharina Benada starb wenige Monate, nachdem sie die Reiseapotheke erhalten hatte. Starb sie an den Nebenwirkungen des "Rothen Leber Pulvers"? Hat sie sich nicht an die Empfehlungen des "Leib Medico" gehalten, oder ist ihr der Alkohohl nicht bekommen? Die Gründe für das Ableben von Katharina Benada sind nicht bekannt. Aber ihre Reiseapotheke ist mit den Pillen, Fläschchen, Rezepten und sogar der Rechnung des Apothekers fast unberührt erhalten geblieben. Wahrscheinlich haben sich die Äbtissin und ihre Nachfolgerinnen doch lieber an die bewährten Hausmittel der klösterlichen Heilkunde gehalten, die aus der Tradition der antiken Medizin enstanden waren.

Kräuter aus dem klösterlichen Garten waren zu Katharina Benadas Zeiten im Prinzip die einzigen verfügbaren Medikamente. Sie wurden in Würzwein getrunken, zu Essenzen aufgekocht, zu Pulvern und Salben verarbeitet. Man konnte schon damals Wunden behandeln und Knochenbrüche schienen. Vor chirurgischen Eingriffen schreckte man allerdings zurück. Zwei Mittel, die hingegen sehr oft angewendet wurden, weil sie gegen beinahe jede Krankheit helfen sollten, waren der Aderlaß und das Schröpfen. Wer seinem Körper Blut entziehen ließ, tat prophylaktisch Gutes für seine Gesundheit, so die weit verbreitete Auffassung. Im Rahmen einer ausgedehnten Reinigungsprozedur in der Badestube, die oft bis zu sechs Stunden dauerte, wurde das "Blutsaugen" nebenbei miterledigt. Badebilder aus dem beginnenden 16. Jahrhundert bezeugen die gängige Praxis eindrucksvoll. Lendenbeschürzte Männer mit den Füßen in einer Wasserschüssel, auf der Schwitzbank und beim Haareschneiden tragen an fast allen Körperteilen Schröpfköpfe. Daß sie sich dabei wohlgefühlt haben, ist schwer zu glauben.

Wer wissen möchte, wie Schröpfköpfe aus dem späten Mittelalter aussehen, und wer sich nicht vorstellen kann, daß die 300 Jahre alte Reiseapotheke von Katharina Benada samt Inhalt tatsächlich erhalten geblieben ist, der sollte einen Ausflug nach Panschwitz-Kuckau in die Oberlausitz unternehmen. Dort ist die Erste Sächsische Landesausstellung vom 13. Juni bis zum 18. Oktober zu Gast im Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern. Auf der Exposition warten noch viele andere spannende Geschichten auf ihre Besucher. Geschichten aus einer Zeit, in der die Sauna noch ohne Strom funktionierte.

Ute Meckbach

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